⚡ Vielfalt in der Informatik: Universität und NGO als Wegweiser
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Daniela Wolf
In einer kollaborativen Partnerschaft zwischen der TU Wien und der NGO „refugees{code}“ erhalten Geflüchtete Zugang zu einem MOOC der Harvard University im Bereich der Programmierung. Durch die fachliche Betreuung von Studierenden der TU wird eine inklusive Lernumgebung geschaffen, die nicht nur die Verbesserung technischer Fähigkeiten, sondern auch Empathie und interkulturelle Kompetenzen fördert. Die Initiative zeigt, dass gemeinschaftliche Lösungsansätze die Informatik inklusiver und vielfältiger gestalten können.
Statistiken aus verschiedenen Quellen zeigen, dass Frauen und bestimmte Minderheiten in der Informatik unterrepräsentiert sind und oft mit systematischen Nachteilen konfrontiert werden (Xie et al., 2021). Dieses Problem ist nicht nur auf Hochschulen präsent, sondern zieht sich auch durch die berufliche Praxis.
In den letzten Jahren gab es verstärkte Bemühungen, die Vielfalt in der Informatik zu fördern und den Zugang für unterrepräsentierte Gruppen zu verbessern (Stern & Bancroft, 2015; Goode & and Margolis, 2011; Schön et al., 2020). Verschiedene Initiativen, von Stern & Bancroft (2015) bis Schön et al. (2020), haben versucht, strukturelle Veränderungen herbeizuführen. Leider zeichnen sich viele dieser Bemühungen durch punktuelle und temporäre Charakteristika aus.
Trotzdem gibt es auch langfristige Initiativen und Programme, die darauf abzielen, nachhaltige Veränderungen herbeizuführen. Ein Beispiel hierfür ist die Kooperation zwischen der Technischen Universität Wien (TU) und refugees{code}. Diese Partnerschaft setzt an der Schnittstelle zwischen Bildung, Arbeitsmarkt, Inklusion und Technik an und bietet eine innovative Lösung zur Förderung der Vielfalt in der Informatik.
Im Zentrum dieser öffentlich-privaten Partnerschaft steht eine eigens eingerichtete Lehrveranstaltung an der TU Wien, die für Informatik-Studierende zugänglich ist. Der Inhalt dieser Lehrveranstaltung basiert auf einem bereits existierenden und erfolgreichen Massive Open Online Course (MOOC) zum Programmieren lernen von der renommierten Harvard University. Was diesen Ansatz jedoch besonders macht, ist die Tatsache, dass der MOOC von Geflüchteten durchlaufen wird, die dabei von Studierenden der TU unterstützt und begleitet werden. Als Anreiz für diese fachliche Unterstützung erhalten die TU-Studierenden drei ECTS-Punkte.
Die Perspektive der TU-Studierenden zeigt, dass sie durch die Teilnahme an der Initiative ihre Fähigkeiten in verschiedenen Bereichen verbessern konnten, darunter Technik, Didaktik, Kommunikation und Perspektivenwechsel. Sie haben durch die Zusammenarbeit mit Geflüchteten mehr Berührungspunkte mit Menschen, die sie im Alltag weniger treffen. Die Teilnahme hat auch das Verständnis der TU-Studierenden für Menschen mit verschiedenen Hintergründen und Lebenserfahrungen verbessert. Es wurde deutlich, wie herausfordernd es für geflüchtete Personen sein kann, einen Job zu finden, selbst mit guten Englischkenntnissen und Fachkompetenzen. Die TU-Studierenden haben erkannt, dass Privilegien nicht selbstverständlich sind und dass Chancen auf Bildung oft von der Erziehung und den Lebensumständen abhängen. Die genannten Hindernisse und Herausforderungen betonen die Bedeutung von Empathie, Geduld, sprachlicher Sensibilität und individueller Betreuung in der Zusammenarbeit mit diesen Gruppen.
Die Studierenden haben Spaß daran gefunden, ihr Wissen zu vermitteln, und haben dabei auch ihre eigenen Fähigkeiten weiterentwickelt. Die Anpassung der Inhalte an die Interessen und das Tempo der Teilnehmenden, unabhängig von deren Hintergrund oder Vorwissen, wurde als wichtig erachtet. Aufgrund von Sprachbarrieren wurde betont, dass Erklärungen durch Praxis statt nur Worte erfolgen sollten.
Die Evaluation zeigte auch, dass die Teilnahme die nicht-technischen Fähigkeiten der TU-Studierenden verbessert, hat:
- Erklärungskompetenz: Die Fähigkeit, Themen von null aus zu erklären, wurde gestärkt, und die Studierenden haben gelernt, ihre Erklärungen an die Zielgruppe anzupassen.
- Interaktives Vortragen und Moderation: Die Studierenden haben Erfahrung im interaktiven Vortragen und in der Moderation gesammelt, wodurch sie ihre Präsentations- und Moderationsfähigkeiten verbessern konnten.
- Perspektivenwechsel und Empathie: Durch die Zusammenarbeit mit Geflüchteten haben die Studierenden gelernt, die Welt aus den Augen anderer zu sehen und ihre empathischen Fähigkeiten zu stärken.
Hindernisse und Herausforderungen bei der Zusammenarbeit mit den Geflüchteten wurden ebenfalls identifiziert, darunter Sprachbarrieren, unterschiedliche Kenntnisse und Ausbildungen, Desinteresse einiger Teilnehmenden sowie der Bedarf an mehr Personal für effektive Durchführung.
Insgesamt verdeutlicht die Kooperation zwischen der TU Wien und refugees{code} nicht nur die Bedeutung der Vielfalt in der Informatik, sondern auch die Wirksamkeit von gemeinschaftlichen Lösungsansätzen. Wenn Bildungseinrichtungen, wie Universitäten und gemeinnützige Organisationen sich zusammenschließen, können sie eine positive Veränderung bewirken und die Informatik zu einem inklusiveren und vielfältigeren Bereich machen.
- Goode, J., and Margolis, J. Exploring computer science: A case study of school reform. ACM Transactions on Computing Education (TOCE) 11, 2 (2011), 12.
- Google Inc. & Gallup Inc. (2016). Diversity Gaps in Computer Science: Exploring the Underrepresentation of Girls, Blacks and Hispanics. Retrieved from http://goo.gl/PG34aH. Additional reports from Google’s Computer Science Education Research are available at g.co/cseduresearch.
- Schön S., Rosenova M., Ebner M., Grandl M. (2020). How to Support Girls’ Participation at Projects in Makerspace Settings. Overview on Current Recommendations. In: Moro M. Alimisis D., Iocchi L. (eds) Educational Robotics in the Context of the Maker Movement. Edurobotics 2018. Advances in Intelligent Systems and Computing, vol 946, pp. 193-196, Springer, Cham, retrieval via https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-030-18141-3_15
- Stern, J., Reid, E., and Bancroft, K. Teaching introductory computer science for a diverse student body: Girls who code style. In Proceedings of the 46th ACMTechnical Symposium on Computer Science Education (2015), ACM, pp. 705–705.
- Xie, B., Davidson, M.J., Franke, B., McLeod, E.M., Li, M., and Ko, A.J. (2021). Domain Experts' Interpretations of Assessment Bias in a Scaled, Online Computer Science Curriculum. Proceedings of the Eighth ACM Conference on Learning @ Scale.
Daniela Wolf, Ferdinand Porsche FernFH
Daniela Wolf leitete von 2011 bis 2017 das E-Learning und Web-Support Center an der Ferdinand Porsche FernFH und hat in dieser Funktion den Online Campus und das MediaLab aufgebaut. Ihr akademischer Werdegang zeichnet sich durch Studien in Informatikmanagement, Wissensmanagement, eEducation und Informatikdidaktik in Wien, Sevilla und Aix-en-Provence aus. Bereits während ihrer Ausbildung hat sie erste berufliche Erfahrungen in unterschiedlichen Bereichen und Aufgabengebieten rund um Informationstechnologie, Bildung, Journalismus und Marketing gesammelt. Als Angestellte in der Verwaltung von Universitäten, als Studienassistentin an der Universität Wien und an anderen Hochschulen sowie als Freiberuflerin im E-Learning und Training in diversen Bildungseinrichtungen hat sie viele wichtige Erfahrungen gesammelt. Derzeit bereitet sie in ihrer Rolle als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Ferdinand Porsche FernFH ihre Dissertation über Coding Schulen für Geflüchtete an der Technischen Universität Graz vor, die auch von der Forschungsförderung Niederösterreich im Rahmen der FTI-Dissertationen 2021 gefördert wird. Daniela Wolf ist zudem Gründungsmitglied von refugees und Initiatorin von techshelikes, einer deutschsprachigen Plattform mit dem Ziel Technologie und Technik für Mädchen und Frauen zugänglicher und interessanter zu machen und die Vielfalt an Jobs mit “purpose & impact” in dieser Branche aufzuzeigen.
daniela.wolf@fernfh.ac.at