🖼️ Social Media für Studium und Lehre
#Mastodon #Fediverse #SocialMedia #Infrastruktur
David Lohner
Hochschulen sollten eine Social-Media-Infrastruktur für Forschende Studierende und Lehrende bereitstellen. Föderierte, nicht-kommerzielle Dienste können einen wesentlichen Beitrag zu Open Science und Open Education beitragen.
Die gesellschaftliche Relevanz von Kurznachrichtendiensten wie Twitter in der Vergangenheit steht außer Frage. Auch im Bildungsbereich spielen Communities, die sich in der Vergangenheit z.B. um die Hashtags #TwitterCampus oder #TwitterLehrerzimmer versammeln (bzw. den Äquivalenten anderer sozialer Netzwerke) eine große Rolle beim Austausch über Forschungsergebnisse, aktuelle Methoden, OER-Material und Ideen zur Lehrentwicklung und -gestaltung. Es erscheint daher sinnvoll, dass Studierende am fachlichen Diskurs bereits im Studium teilhaben können, um bspw. Elemente in Portfolios oder andere Arbeiten für externes Feedback oder Inspiration teilen.
Fast alle Dienste im Bereich Social Media sind kommerzielle Angebote, deren Geschäftsmodell weitgehend darauf basiert, anfallende Daten von Nutzer*innen zu Werbezwecken auszuwerten. Um den hohen Ansprüchen an Datenschutz und Datensouveränität der wissenschaftlichen Einrichtungen gerecht zu werden, sollten Hochschulen allen Forschenden, Studierenden und Lehrenden – ähnlich wie das Hochschul-Email-Postfach – Zugang zu dezentralen, sicheren sozialen Netzwerken ermöglichen. Das Fediverse, insbesondere der Dienst Mastodon, stellt hierfür eine ernst zu nehmende Option dar. Im Folgenden soll das mögliche Potenzial einer solchen Infrastruktur, die von den Hochschulen gehostet wird, skizziert werden:
Nutzen für die Hochschule
Die lokale Zeitleiste jeder Mastodon-Instanz einer Hochschule wird zu einem brummenden Newsfeed über alles, was an den Hochschulen passiert. Studierende können so Ihren Dozierenden folgen, sich unmittelbar über deren Forschung informieren und austauschen. Forscherinnen und Forscher sehen, woran ihre Kolleg*innen auch am benachbarten Institut oder der benachbarten Fakultät arbeiten. So entstehen innerhalb einer Hochschule neue Kooperationen und Synergienwerden sichtbar und genutzt.
Hochschulabsolvent*innen können ihren Account bei ihrer Alma Mater auch nach dem Studium oder der Promotion behalten. Auf diese Weise kann das Alumni-Netzwerk wachsen und besser sichtbar gemacht werden. Hochschulen schmücken sich gerne mit erfolgreichen Absolvent*innen; über das soziale Netzwerk können Rolemodels entstehen und gepflegt werden und die Hochschule als Studien- und Arbeitsort attraktiver machen.
Hochschulen als öffentliche Einrichtungen mit Bildungsauftrag nehmen eine gesellschaftliche Verantwortung wahr, Werte wie Datenschutz und Datensouveränität hochzuhalten. Mit einem Gegengewicht zu kommerziellen Anbietern betreiben die Hochschulen für sich selbst und die gesamte wissenschaftliche Community eine öffentliche Infrastruktur, die auf Open Source Software setzt. Die Hochschulen tragen durch die Förderung und (technischen) Weiterentwicklung einer dezentralen Kommunikationsstruktur zur Unabhängigkeit der Wissenschaft von Unternehmen und Konzernen bei, deren Geschäftsmodell auf die Auswertung von Nutzerdaten ausgelegt ist.
Nutzen für Studierende
Studierende erhalten mit Beginn ihres Studiums einen Mastodon-Account auf der Instanz ihrer Hochschule. Sie können so im digitalen Raum neue Kontakte knüpfen und Netzwerke aufbauen, Lerngruppen gründen und sich über das Geschehen auf dem Campus informieren. Es ist möglich, studentische (hochschulpolitische) Initiativen zu koordinieren und Mitstreiter*innen für eine Sache zu gewinnen; über Fakultätsgrenzen hinweg und über alle Semester.
Auf Mastodon kommunizieren Wissenschaftler*innen und Studierende auf Augenhöhe. In der Regel werden im Studium auch aktuell(st)e wissenschaftliche Erkenntnisse rezipiert. Über Mastodon sind die Autor*innen der gelesenen Studien erreichbar. Auch externe Wissenschaftler*innen können unmittelbar in Lehrveranstaltungen einbezogen werden, um die Qualität der Lehre zu erhöhen.
Studierende erleben sich als selbstwirksam, wenn sie am hochschulweiten Diskurs über wissenschafts- und lehrbezogene Angelegenheiten sowie hochschulpolitische Themen partizipieren. Sie gestalten den Ort ihres Studiums durch eine aktive Teilhabe an den Diskussionen mit und tragen so zu einer offenen Kommunikationskultur bei, die maßgeblich zur Persönlichkeitsbildung beiträgt.
Nutzen für Wissenschaftler*innen und Lehrende
Hochschulpersonal – auch in der Verwaltung – erhalten ebenfalls einen Mastodon-Account. Sie können sich damit mit Fachkolleg*innen anderer Einrichtungen und Hochschulen austauschen, gemeinsame Projekte planen oder Diskussionen über wissenschaftliche Erkenntnisse führen.
Beim Wechsel des Arbeitsplatzes an eine andere Hochschule können Mitarbeiter*innen durch die offene Architektur ihren Account einfach migrieren. Follower und Gefolgte bleiben erhalten, was den Auf- und Ausbau eines karriereförderlichen Netzwerks erleichtert. Gleiches gilt beispielsweise für die begleitenden Accounts von Fachkonferenzen, die sich bspw. auf Twitter etabliert haben: Der Account einer Community kann jeweils zur ausrichtenden Hochschule wechseln. Wer aus persönlichen Gründen keinen Account in einem sozialen Netzwerk bei seinem Arbeitgeber haben möchte (dafür gibt es viele gute Gründe), kann bei einem Landes- oder anderen Verband einen Mastodon-Account erstellen.
Mastodon-Instanzen an Hochschulen können dazu beitragen, eine Kommunikationskultur zu etablieren, die jenseits der Logiken einer von Hass und Hetze befeuerten Aufmerksamkeitsökonomie funktioniert. Die Förderung einer sicheren und ethisch vertretbaren Infrastruktur ist ein wichtiger Baustein, um Studierende nicht nur für den Arbeitsmarkt, sondern auch für ihre Rolle als informierte und verantwortungsbewusste Mitglieder der Gesellschaft zu rüsten. Es liegt in unserer Hand, durch die Unterstützung dezentraler Netzwerke wie Mastodon, den Grundstein für eine Zukunft zu legen, in der Bildung, Datenschutz und ein freier Wissensaustausch Hand in Hand gehen.
Teile dieses Textes basieren auf „Mastodon an Hochschulen – eine Vision“ von David Lohner, lizenziert unter CC-BY 4.0. Quelle: https://davidlohner.de/2023/03/mastodon-an-hochschulen-eine-vision/
David Lohner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Schulpädagogik und Didaktik (ISD).
David Lohner ist akademischer Mitarbeiter am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und Vorstandsmitglied in der Deutschen Gesellschaft für Hochschuldidaktik (dghd). Er forscht und lehrt im Bereich der Mediendidaktik und setzt sich für offene Bildung ein.
david.lohner@kit.edu
https://davidlohner.de
Bernadette Schwammer:
Eine großartige Möglichkeit sich innerhalb der Community zu vernetzen/auszutauschen, mit dem Wissen meine Daten sind geschützt.
David Lohner:
Das ist für mich das Killer-Feature: Mit eigenen Mastodon-Instanzen lassen sich Communites (öffentlich) zusammenbringen; sie sind untereinander vernetzt, sodass man eben nicht nur in seiner eigenen Bubble bleiben muss, sondern immer wieder über den Tellerrand schauen kann.
Wenn eure Hochschule eine eigene Mastodon-Instanz hätte, was wäre der größte Benefit?