🖼️ K3I: Kritisch konstruktiver Umgang mit KI
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Andrea Breitenbach
KI Tools wie ChatGPT revolutionieren das Lernen und Lehren an Hochschulen, da sie von vielen Student*innen genutzt werden. Die Nutzung birgt Risiken und Chancen, insbesondere wenn von KI erzeugte Quellenangaben nicht kritisch reflektiert werden, was ernsthafte Konsequenzen haben kann. Ein spezieller Masterkurs zielt darauf ab, einen kritischen und konstruktiven Umgang mit KI zu fördern, um Risiken zu minimieren und die Vorteile der Anwendung von KI im Lernprozess zu nutzen.
KI Tools verändern die Hochschul-Lehre radikal
Das Jahr 2022 markiert einen Meilenstein für uns Menschen und zugleich für die Hochschulen: ChatGPT wird für die breite Öffentlichkeit zugänglich und damit auch für Student*innen. Die Nutzung von KI Tools lässt sich nun nicht mehr aufhalten, auch Verbote werden nicht verhindern, dass Student*innen vermehrt mit KI Tools arbeiten. Dementsprechend verändert sich das Lernen und Lehren mit enormen Tempo. Die Nutzung von KI bringt zahlreiche Vorteile, aber auch Nachteile: So besteht die Gefahr, die Ergebnisse der Arbeit mit KI Tools unreflektiert wieder zu geben. Hier setzt unsere Projektidee ein: In einem Masterkurs am Institut für Soziologie der Universität Marburg (Deutschland) entwickeln wir einen Selbstlernkurs zum kritischen und konstruktiven Umgang mit KI für den Bereich des wissenschaftlichen Arbeitens. Dieser Aspekt erscheint besonders relevant, da die Recherche und Arbeit mit wissenschaftlichen Texten in allen Studiengängen eine notwendige Kompetenz darstellen. Der Selbstlernkurs wird anschließend im Bachelorstudiengang (Einführung, Kolloquium etc.) implementiert und kann nach erfolgreicher Evaluation für zahlreiche Studiengänge genutzt werden.
Kritische Perspektive im Umgang mit KI wichtig
Aber warum ist die kritische Perspektive im Umgang mit KI extrem relevant? Zahlen einer Studie aus dem Jahr 2022 zeigen für Österreich, dass junge Menschen (80 %), immer häufiger soziale Medien einsetzen um sich über die Welt zu informieren. Gleichzeitig steigt das Vertrauen in Influencer*innen als Quelle für Information aller Art, wobei sich 63% dort über aktuelle Themen informieren. Immer weniger Jugendliche überprüfen Informationsquellen und nur sehr wenige (12%) nutzen Faktenchecks dafür (Pöheim, 2023: 3ff.). Durch KI wird sich die Art der Informationsbeschaffung und damit die Probleme nochmals verschärfen. Im Jahr 2023 nutzten laut einer Studie an deutschen Hochschulen über 63 % der Student*innen KI im Studium, davon fast 50 % zur Literaturrecherche (Garell et al., 2023). Deshalb wird es immer wichtiger, dass kritische Denken zu fördern und Kompetenzen zur Bewertung von Informationsquellen zu entwickeln.
Zudem ist kritisches Denken eine Fähigkeit, mit der sich Menschen von KI unterscheiden. Zugleich gehört kritisches Denken u.a. zu den Zielkategorien des Europäischen Qualifikationsrahmens für lebenslanges Lernen und ist eine wichtige Zukunftskompetenz. Wie bereits angesprochen, gehen mit der Nutzung von KI sowohl Vorteile als auch Nachteile einher und somit entstehen neue soziale Ungleichheiten, beispielsweise im Hinblick auf Menschen mit Behinderungen, Geschlecht oder soziale Herkunft (u.a. Albrecht, 2023; Mohr, 2017). Wenn KI unreflektiert eingesetzt wird, nimmt die Kluft zwischen Studierenden (aber auch Lehrenden) vermutlich zu, etwa für Studierende, die weniger gut mit den KI umgehen können. Das Problem zeigte sich bereits beim Einsatz digitaler Lehrmethoden (u.a. Breitenbach 2021). Deshalb ist es notwendig, sich kritisch und konstruktiv mit der Anwendung von KI auseinanderzusetzten. Denn statt Ausgrenzung kann KI dazu beitragen, Diversität und Heterogenität zu fördern. Beispielsweise kann ChatGPT Studierenden mit Schreibblockaden bei der Themensuche Anregung bieten oder die Literaturrecherche unterstützen. Aber nur, wenn die Personen im Stande sind, die Qualität der Quellen kritisch zu beurteilen.
Auch diese Aspekte werden in dem geplanten Vorhaben berücksichtigt. Theorien zum kritischen Denken, der Digitalisierung und sozialer Ungleichheiten bilden hierfür die Grundlage. Insgesamt lässt sich sagen, dass die Anwendung von KI an Hochschulen nicht nur Digitalkompetenz, sondern auch KI-Kompetenz, insbesondere in Verbindung mit kritischem und konstruktivem Denken notwendig macht. Genau das soll mittels des Selbstlernkurses ermöglicht werden.
Selbstlernkurs zum kritischen Umgang mit KI
Das Material für den Selbstlernkurs erstellen Student*innen gemeinsam mit der Dozentin: Reels, Beispiele für Prompts etc. Der besondere Fokus liegt auf der Frage, wie man KI für das wissenschaftliche Arbeiten im speziellen für die Literaturanalyse nutzen kann. Eine kritische Reflexion der Arbeit mit KI steht dabei im Mittelpunkt, etwa die Frage: Wie erkennen wir, ob die von der KI erzeugten Inhalte sachlich korrekt sind? KI Tools wie ChatGPT werden im Hinblick auf Anwendungsmöglichkeiten erprobt, Vor- und Nachteile untersucht, rechtliche und theoretische Aspekte diskutiert.
Didaktisches Konzept & Evaluation
Innovativ ist das Projekt nicht nur aufgrund der Thematik, sondern der didaktischen Konzeption des Lernens durch Lehren (LdL) und der Berücksichtigung sozialwissenschaftlicher Theorien. Auf Basis der im Seminar gewonnenen Erkenntnisse erstellen die Student*innen Material für den Selbstlernkurs und geben sich gegenseitig Feedback. Durch das gemeinsame Arbeiten werden nicht nur unterschiedliche Perspektiven (Student*innen, Dozent*innen) berücksichtigt, sondern die Motivation der Student*innen und deren Methoden- und Medienkompetenz gefördert. Gleiches gilt für den aus dem Projekt resultierendem Selbstlernkurs.
Mittels eines Mixed-Methods Designs werden sowohl das Konzept des Master-Seminars als auch das Selbstlernmodul evaluiert. In dem bei der Konferenz vorgeselltem Beitrag werden das Projekt und erste Teil-Ergebnisse präsentiert. Ideen und Vorschläge zur Ausgestaltung sollen mit den Teilnehmer*innen diskutiert werden.
Erste Ergebnisse
Mit dem Wintersemester 23/24 hat das Projekt begonnen und wir konnten bereits erste Meilensteine realisieren: Die Seminarteilnehmer*innen haben Ideen für Material gesammelt und beginnen gerade mit der Umsetzung für den Selbstlernkurs. Im nächsten Schritt sichten wir das Material, geben uns gegenseitig Feedback und erstellen dann den Selbstlernkurs, der zuerst im Sommer 2024 im Kolloquium für Bachelorarbeiten eingesetzt wird.
- Albrecht, Steffen (2023, 26. April). Die Gesellschaft muss sich klarmachen, auf was sie sich mit ChatGPT einlässt. Expertinnen und Experten des KIT zu tagesaktuellen Themen. https://www.sts.kit.edu/kit_express_7166.php
- Breitenbach, Andrea (2021). Digitale Lehre in Zeiten von Covid-19: Risiken und Chancen. Pedocs. https://doi.org/10.25656/01:21274
- Garrel, Jörg von, Jana Mayer und Markus Mühlfeld (2023). Künstliche Intelligenz im Studium Eine quantitative Befragung von Studierenden zur Nutzung von ChatGPT & Co: Hochschule Darmstadt. https://doi.org/10.48444/h_docs-pub-395
- Mohr, Christoph. P. (2017). Neue soziale Ungleichheiten durch künstliche Intelligenz. Neue Gesellschaft, Frankfurter Hefte. Zeitschrift für Politik und Kultur. https://www.frankfurter-hefte.de/artikel/neue-soziale-ungleichheiten-durch-kuenstliche-intelligenz-2348/
- Pöheim, Sandra (2023). Safer Internet Day 2023: Wie gehen Jugendliche mit Fake News um? Medienimpulse Jg. 61, Nr. 2, 2023. https://doi.org/10.21243/mi-02-23-12
Dr. Andrea Breitenbach
Universität Marburg, Deutschland, Institut für Soziologie, AG Methoden der empirischen Sozialforschung
Andrea Breitenbach ist Wissenschaftlerin und Lehrende im Bereich Methoden der empirischen Sozialforschung und Statistik am FB Gesellschaftswissenschaften der Universität Marburg. Ihre Forschungsinteressen umfassen Didaktik der Statistik, Digitalisierung der Lehre, Bildungssoziologie, Experimente in der Soziologie und Umweltsoziologie.
andrea.breitenbach@staff.uni-marburg.de
https://www.uni-marburg.de/de/fb03/soziologie/fachgebiete/methoden/team-1/dr-andrea-breitenbach
http://www.abreitenbach.de