Tag für Lehrende 2024 der FHStP

07.02.2024

🗣️ Anforderungen an die Studiengänge der Zukunft im MINT-Bereich– Analyse von Umfragen unter Schüler/innen, Studierenden und Arbeitgebern im öffentlichen Dienst

#Fachkräftesicherung #Ingenieurwesen #Anschlussfähigkeit #Zukunftsthemen #LebenslangesLernen

 

Anke Lohbeck, Karsten Strauch und Markus Oeser

Durch eine neu gegründete Koordinierungsstelle innerhalb des Verkehrsressorts soll dem Fachkräftemangel im Ingenieurwesen begegnet werden. Vorgestellt werden Ergebnisse und Analysen einer bundesweiten Umfrage unter Schülern, Studierenden und Behörden, sowie Pläne zur Minderung des Gaps zwischen hochschulischer Ausbildung und Arbeitsplatz.

Der Fachkräftemangel im Ingenieurbereich bedroht die Entwicklung und nachhaltige Transformation der Wirtschaft und der Mobilität in Deutschland.

So sind 151.300 Stellen im Ingenieursbereich nicht besetzt [VDI, 2022a, S.3, S.6] und 7.400 Stellen pro Jahr werden als demografischer Ersatzbedarf im Bereich Bau und Energie [VDI, 2022b] prognostiziert. Dem gegenüber ist die Anzahl der Studien-anfänger/innen in den Ingenieurswissenschaften und Informatik in den letzten 5 Jahren um 15% gesunken [VDI, 2022a, S.3] und 53% aller Studierenden wechseln oder brechen ein MINT-Studium ab. [acatech, Joachim Hertz Stiftung, 2022, S.24] Weiter verstärkt wird das Problem durch die demographische Entwicklung, nach der erstmals die Gruppe der 15-24-Jährigen unter 10% gesunken ist. [Stat. Bundesamt, 2022] Zusätzlich können die aktuellen Lehrinhalte der Studiengänge dem exponentiellen Wachstum der technologischen Entwicklung und damit verbundenen Anforderungen aus Wirtschaft und Verwaltung nicht standhalten.

Die im März 2022 gegründete Stabsstelle „Akademie für nachhaltiges Straßen- und Verkehrswesen“, kurz „Akademie“, als Teil einer Ressortforschungseinrichtung des Bundesministerium für Digitales und Verkehr hat als zentrale Aufgabe, ein wissenschaftliches Fundament zur Forschung, Evaluierung und Qualitätssicherung von tragfähigen, innovativen und realisierbaren Konzepten zur Fachkräftegewinnung, -sicherung und -qualifizierung für das Straßen- und Verkehrswesen zu entwickeln.

Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich dieser Beitrag mit der zentralen Fragestellung wie eine nachhaltige Fachkräftesicherung im Bereich Straßen- und Verkehrswesen gelingen kann.

Zum Aufbau einer umfassenden Datenbasis wurden unter anderem Umfragen unter drei Stakeholdergruppen (Schüler/innen, Studierende, Behördenvertreter/innen) unter dem übergeordneten Aspekt der Durchgängigkeit durchgeführt, um u.a. herauszufinden, inwiefern ausreichend Vorbereitungen im Bildungsumfeld erbracht und welche Anforderungen davon in den jeweiligen Tätigkeiten wirklich als erforderlich (auch zukünftig) angesehen werden.

Adressiert wurden bundesweit weit über 3.000 Personen, die Antworten von über 1.000 Teilnehmenden wurden ausgewertet.

Die Ergebnisse der Umfragen, haben gezeigt, dass bisher verwendete Ansätze zur Attraktivitätssteigerung von Studiengängen und Minderung von Abbrecherquoten nicht ausreichend erfolgreich waren: Schüler/innen fühlen sich durch das (zu) große Angebot – alleine in den Ingenieurswissenschaften existieren in Deutschland derzeit fast 7.500 Studiengänge [www.think-ing.de] - eher behindert als unterstützt und stellen häufig ihre Eignung für ein Studium in Frage. [Lohbeck, Strauch, Oeser, 2022b]

Studierende [Lohbeck et al., 2022c] schätzen ihren fachlichen Kompetenzmangel – gegen die Erwartungshaltung der künftigen Arbeitgeber gelegt – durchaus realistisch ein: ein aktuelles, ständig zu adaptierendes Wissen ist nicht mehr als Expertenwissen für Wenige, sondern für alle Absolventen relevant. Das erweiterte Studienangebot – in der Regel vor allem fachlich grundständig - führte bisher jedoch nicht zu einer hinreichenden Anschlussfähigkeit der Absolventen, auch, weil die Gesamtheit der seitens der Arbeitgeber geforderten Fachkompetenzen durch die aktuelle Form der Hochschulbildung nicht umfassend erbracht werden kann. Hochschulen haben in ihren Möglichkeiten mit der Vermittlung fachlicher Zukunftsthemen, z.B. BIM oder digitaler Zwilling, begonnen[1]. 

Interdisziplinäre Ausrichtungen, die eine passgenauere Anschlussfähigkeit unterstützen können, werden zum Teil gerade erst etabliert. [1] Die befragten Behördenvertreter [Lohbeck et al., 2022a] berichten von einer geringen Zufriedenheit hinsichtlich der Anschlussfähigkeit von Berufsanfängern, es fehlen sowohl fachliche wie auch allgemeine Skills. Die rasante Entwicklung der Technik hat auf dem Arbeitsmarkt völlig neue Anforder­ungen geschaffen, die derzeit keiner der Stakeholder [2] mit umfassenden Lösungen begegnen kann. Mit vorhandenen etablierten Methoden können die notwendigen Veränderungen nicht hinreichend erreicht werden.

Lebenslanges Lernen erlangt seit Jahren eine immer größere Bedeutung, findet aber noch keine umfassende Entsprechung in tradierten Bildungssystemen. Zeitgleich wird das Gap der vermittelten Kompetenzen auf der einen und der erforderlichen Kompetenzen auf der anderen Seite immer größer. Ein koordinierter Austausch zwischen den Stakeholdern des Themas findet bislang nicht hinreichend statt.

Die Akademie will als Koordinator eines systemisch agierenden Strukturverbunds aller Stakeholder fungieren und dabei speziell den Bereich des Gaps zwischen grundständiger akademischer Ausbildung und den Anforderungen im Ressort Verkehr fokussieren.

Dazu sollen sowohl aktuelle als auch zukünftige Anforderungen der Arbeitgeber in Wirtschaft und Verwaltung abgefragt und diese mit den Bildungsangeboten der Hochschulen abgeglichen werden. Das daraus resultierende Gap soll fortlaufend umfassend analysiert und daraus entsprechende Lerninhalte sowie angepasste Onboarding-Prozesse bei den Arbeitgebern definiert werden. Diese sollen dann im dritten Bildungsweg - und in Absprache mit den Arbeitgebern berufsbegleitend - vermittelt werden. Bildungsträger in diesem Konzept sind einerseits die Hochschulen selbst, die derzeit ihre staatlich vorgeschriebenen Weiterbildungsangebote evaluieren, und andererseits private Anbieter sowie weitere Stakeholder des Netzwerks.

Eine initiale Analyse und Evaluation der aktuellen Studiengänge sowie innovative Konzepte für Studiengänge der Zukunft soll durch ein von der Bundesregierung initiiertes Förder- und Forschungsprogramm in Kooperation mit den Hochschulen erfolgen.    

Kommentare